Antidepressiva helfen offenbar wenig
Depression, Schlaflosigkeit, quälende innere Unruhe: Darunter leiden Demenzkranke oft stärker als unter dem geistigen Verfall. Medikamente können die Symptome etwas lindern – allzu viel sollten Ärzte und Angehörige aber nicht erwarten.
MAINZ. Alzheimerpatienten zeigen im Laufe der Erkrankung ein sehr breites Spektrum von Verhaltensstörungen.
Bereits drei Jahre vor der Demenzdiagnose ziehen sich viele Patienten von sozialen Aktivitäten zurück, zwei Jahre davor besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Depression, und kurz bevor sie wegen ihres kognitiven Abbaus einen Arzt aufsuchen, leiden sie nicht selten unter Schlafproblemen, Ängsten, Unsicherheit und Stimmungsschwankungen. Im späteren Verlauf folgen meist Unruhe, Aggression und psychotische Symptome.
Daran hat Professor Richard Dodel vom Uniklinikum in Marburg auf der Fortbildungsveranstaltung Neuro Update in Mainz erinnert.
Kaum ein Vorteil, aber mehr Nebenwirkungen
Da solche Beschwerden nicht nur die Patienten, sondern auch ihre Umgebung stark belasten, sollte ein Fokus der Therapie auch auf nicht-kognitiven Symptomen liegen, berichtete Dodel.
Als Beispiel nannte er etwa Depressionen, die bei Demenzpatienten sehr häufig auftreten und die kognitiven und funktionellen Beeinträchtigungen verstärken können.
Nach 13 Wochen schnitt Placebo am besten am, nach 39 Wochen gab es kaum noch Unterschiede zwischen den Gruppen. Insgesamt waren die Differenzen bei den Depressions-Scores aber alle nicht signifikant.
Unter Mirtazapin zeigten die Patienten lediglich nach 13 Wochen etwas weniger neuropsychiatrische Symptome und eine bessere Lebensqualität, doch auch hier waren die Unterschiede nach 39 Wochen verschwunden.
Schon bedeutsamer war die Beobachtung, dass unerwünschte Wirkungen mit beiden Antidepressiva etwa 60 Prozent häufiger auftraten als unter Placebo. Kein Nutzen, aber ein möglicher Schaden, war dann auch das Fazit der Studienautoren.
Bisher sei einfach angenommen worden, dass Antidepressiva auch gegen Depressionen bei Demenzpatienten wirkten, so Dodel. Diese und andere Studien zeigten jedoch, dass das nicht der Fall ist.
„Wir müssen auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen Studien verlangen, bevor wir solche Mittel sinnvoll einsetzen können“, lautet Dodels Fazit.
Trazodon erhöht Schlafdauer
Etwas besser sieht die Lage schon bei Schlafstörungen aus. Aktuelle Daten gibt es hier zu dem sedierend wirkenden Antidepressivum Trazodon (The American Journal of Geriatric Psychiatry 2014, online 6. Januar 2014).
In einer kleinen Studie erhielten 30 noch selbstständig lebende Alzheimerpatienten mit Schlafstörungen abends 50 mg des Mittels oder Placebo. Die Schlafdauer wurde unter anderem per Aktigrafie ermittelt.
Mit dem Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer schliefen die Patienten im Schnitt 43 Minuten länger pro Nacht als Patienten mit Placebo. Eine erhöhte Tagesschläfrigkeit oder negative Auswirkungen auf die Kognition wurden nicht beobachtet, sagte Dodel.
Kein Erfolg mit AMPA-Modulator
Dringend gesucht werden daher besser verträgliche Alternativen zu SSRI und Neuroleptika. Im Fokus stehen dabei auch Störungen der glutamatergen Homöostase als Auslöser für Unruhe und Aggression. Hier könnten Substanzen wie Mibampator vielleicht von Vorteil sein.
Insgesamt sei die Studienlage zu Verhaltensstörungen bei Alzheimerkranken also eher enttäuschend. Dodel bemängelte, dass bei solchen Patienten bisher viel zu wenige Studien gemacht werden. Gerade bei Demenzkranken im fortgeschritten Stadium sei der Leidensdruck aufgrund von Verhaltensstörungen am höchsten, hier seien also dringend wirksamere Therapien nötig. (mut)